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Niemand spricht gerne über seine Fehler. Wir nicht, du nicht, dein Chef oder deine Professorin nicht, deine Eltern nicht, auch der nette Kassierer im Supermarkt nicht. Ein Fehler wird als ein Mangel, als ein Makel angesehen und schon früh von Kindesbeinen an werden wir darauf geeicht, Fehler als etwas Falsches anzusehen, das auf Biegen und Brechen zu vermeiden ist. Fehler sind schlecht und wer Fehler macht, beherrscht sein Handwerk nicht. Stattdessen wird häufig ein Hang zum Perfektionismus propagiert. Damit kommt der Fehler schlechter weg, als er es eigentlich verdient hat. Es ist sicherlich übertrieben, ihn als Urquell des Erfolges zu bezeichnen, ein wichtiger Bestandteil, um erfolgreich zu werden, sind Fehler jedoch alle mal. Denk an die Frage im Vorstellungsgespräch nach deinen Fehlern. Klar ist sie im ersten Moment unangenehm, sie soll dich allerdings nicht bloßstellen, sondern deinem Gegenüber einen Eindruck vermitteln, wie du mit diesen umgehst. Also nimm dir kurz Zeit und beantworte folgende Frage für dich: "Auf welchen Fehler bist du am meisten stolz?"

Eine seltsame Frage, oder? Dass Fehler irgendwie dazugehören, siehst du ja noch ein, aber gleich stolz auf einen sein? Der Gedanke dahinter ist es, einen Fehler nicht nur als ein notwendiges Übel anzusehen. Wenn du stolz auf oder glücklich über einen Fehler sein kannst, bedeutet das, dass du einen gesunden Umgang mit deinen Fehlern hast. Du musst sie nicht kaschieren oder leugnen, du musst sie auch niemand anderem in die Schuhe schieben. Ziel ist es natürlich nicht, nun zufrieden und voller Stolz Fehler um Fehler zu machen, komme was wolle und nach dir die Sintflut. Das Gefühl des Stolzes entspringt auch weniger den Fehlern selbst als deinem Umgang mit ihnen. Du kannst zu ihnen stehen und du begreifst sie als Möglichkeiten, aus ihnen zu lernen.

Du wächst an deinen Fehlern

Stell dir vor, bei dir läuft alles. Du machst nichts falsch und deine Abläufe greifen so ineinander, dass du sie schon im Schlaf ausführen könntest. Deine Arbeit ist Routine und sie ist gut, denn du hast sie immer schon so gemacht. Spätestens das digitale Zeitalter lässt die Sache ein bisschen paradox werden. Nur wer innovativ ist und neue Technologien und Trends erkennt oder im besten Falle selbst setzt, wird im Endeffekt erfolgreich sein. Das ist im Groben auch auf deine Karriere zu übertragen: Routine und "Habe ich immer so gemacht" lässt dich schnell in der Komfortzone verharren. Warum etwas ändern, wenn es doch läuft? Und natürlich spricht nichts dagegen, einen Prozess, der sich bewährt hat, so zu lassen, wie er ist, sofern du dabei den Blick für mögliche Optimierungen nicht verlierst. Und hier kommt der Fehler ins Spiel. Wenn du niemals einen größeren Misserfolg zu verzeichnen hattest, gibt es für dich keinen Grund, etwas zu verändern, denn so ist es ja ganz bequem. Wie gesagt, an sich muss das nicht schlecht sein, aber die nächste Stufe auf der Erfolgsleiter bleibt dir so verwehrt. Ein Misserfolg jedoch zwingt dich dazu, einen neuen Weg zu finden und kitzelt so das Beste aus dir heraus.

Misserfolge zeigen, dass du etwas (er)schaffst

Weißt du, was die einfachste Art ist, Fehler zu vermeiden? Nichts Neues auszuprobieren. Oder noch radikaler: Nichtstun, denn schließlich kannst du auch bei Aufgaben, die du seit Jahren erledigst, einen kleinen Fehler begehen. Denn je mehr du machst, je mehr du dich an neuen Dingen ausprobierst, desto mehr Fehler wirst du auch machen. Fehler bedeuten, dass du produktiv bist.
Gute Beispiele, um zu sehen, worauf ich hinaus will, findest du in der Kunst. Ob nun Maler oder Musiker, auch wenn es manchmal so aussieht, ihre großen Symphonien, Gemälde oder Alben haben sie nicht aus dem Nichts heraus erschaffen. Viele Skizzen, viele nicht fertiggestellte Werke säumen den Weg zu diesen, die wir in Museen oder Konzertsälen bewundern können. Ob da Vinci, Beethoven, die Beatles oder Shakespeare, sie alle haben Kunstwerke geschaffen, die über Jahrhunderte bleiben werden. Was dabei nicht selten übersehen wird, ist der Prozess, der zu dem endgültigen Werke führte, so wie wir es kennen. Als sich Beethoven als kleiner Knirps das erste Mal ans Klavier setzte, schrieb er ebenso wenig seine 9. Sinfonie wie da Vinci die Mona Lisa malte. Auch die Vollendung der beiden Werke selbst dauerte lange: Drei Jahre arbeitete da Vinci an seinem Gemälde, Beethoven brauchte für seine Sinfonie noch länger. Sie skizzierten viel, stellten um und verwarfen wieder. Ohne Fehler, ohne Misserfolge wären beide Kunstwerke nicht entstanden. Denn wer ein Meisterwerk schaffen will, muss zuerst einmal etwas schaffen. Und jede Schöpfung bringt einen den eigenen Vorstellungen ein bisschen näher.

Mit den Fehlern kommt die Einsicht

Fehler können schmerzvoll sein – sowohl im übertragenen als auch im wahrsten Sinne des Wortes. Sie können gleichzeitig aber auch eine Chance sein, eine Möglichkeit zu analysieren, was falsch lief und was du ändern kannst, um dich zu verbessern. Hierfür ist es wichtig, dich deinen Fehlern zu stellen und dich nicht vor ihnen und sie nicht vor anderen zu verstecken. Als ein kleines Beispiel: Während meines Studiums wollte ich ein Basketball-Turnier veranstalten, bei denen die verschiedenen Studiengänge in Teams gegeneinander antreten sollten. Ausgangsituation war, dass der Basketballplatz hinter den Parkplätzen der Angestellten ständig besetzt war und es immer wieder zu kleinen Streitereien kam, wenn eine Gruppe der Meinung war, eine andere besetze den Platz unzulässig lange. Was soll ich sagen? Die ganze Sache war ein Reinfall und das Turnier kam nicht zustande, zumindest nicht beim ersten Anlauf. Die Planung wuchs mir über den Kopf und die Leute, die ich lose eingespannt hatte, mir zu helfen, taten mal dies und mal das und manchmal auch nichts. Schnell näherte sich das anvisierte Datum und nichts geschah. Das Unangenehmste: Großspurig hatte ich vielen Studentinnen und Studenten von dem Turnier erzählt, sogar einige Plakate hingen aus. Noch Wochen später kam es mir so vor, als wäre mein Misserfolg das Gesprächsthema Nummer eins an der Uni.

Was wäre wohl passiert, wenn das Turnier stattgefunden hätte? Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute, es wäre bei dieser einen Auflage geblieben, ich hätte mir auf die Schulter geklopft, aber Lust, das Ganze noch einmal ein zweites Mal zu stemmen? Die hätte ich wohl nicht gehabt. So aber wurmte mich mein Versagen und nach einiger Zeit begann ich zu analysieren, was alles falsch gelaufen war. Erst war das entmutigend, denn die Antwort lief auf "so gut wie alles" hinaus. Aber es half und ich startete einen zweiten Anlauf. Ich stellte mir ein Team zusammen, verteilte Aufgaben und holte mir einen Kommilitonen ins Boot, der kein Problem damit hatte, den "harten Hund" zu geben und jedem Feuer zu machen, der seine Aufgaben schleifen ließ (selbst ich wurde einmal geröstet). Und vor allem bezog ich die anderen Studiengänge mit ein und wandte mich an die Fachschaften. Um es kurz zu machen: Der zweite Anlauf war ein ziemlicher Erfolg und auch in den Jahren darauf fand das Turnier wieder statt.

Natürlich entsteht nicht aus jedem Fehler gleich etwas Großes. Aber auch solche Fehler haben einen Lerneffekt: Sie erinnern dich an deine Fehlbarkeit, keine schlechte Sache, denn Fehlbarkeit ist nur menschlich.
Um zum Schluss noch einmal auf den eingangs erwähnten Perfektionismus zurückzukommen: Natürlich spricht nichts dagegen, immer hundert Prozent geben zu wollen. Aber es gibt immer Situationen, in denen dir das nicht gelingt. Oder in denen es nicht reicht und du dennoch scheiterst. Du kannst nicht rund um die Uhr perfekt sein. Das ist niemand und das ist auch nicht das Ziel. Ziel ist hingegen, immer alles zu geben und es zu versuchen. Und dafür sind Fehler da. Wenn du richtig mit ihnen umgehst, sorgen sie dafür, dass du am Ende besser und erfolgreicher wirst in dem, was du tust.

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