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„Was macht ihr, wenn ihr mutig sein müsst?“
Diese Frage stellte ich kürzlich in einem High-Potential-Projekt eines Kunden. Dort coache ich zwölf junge Mitarbeiter, die zwischen 23 und 28 Jahren alt sind. Sie drucksten herum. Auf Nachfragen kam heraus: Sie brauchen keinen Mut, wenn sie eine Führungskraft haben, die ihnen den Rücken stärkt.
So klappt Selbstführung natürlich nicht.
In agilen Unternehmen ist Selbstführung ein Muss. Mitarbeiter müssen sich selbst führen können, weil es keine Führungskraft gibt, hinter der sie sich verstecken können. Wie ist das also bei dir? Führst du aus, was dein Vorgesetzter dir aufträgt? Oder würdest du gerne selbst entscheiden und die Verantwortung dafür tragen? Denn das musst du können, wenn du Selbstführung beherrschen willst.

Darf ich vorstellen: dein Selbst

Im Grunde geht es bei Selbstführung ums Erwachsenwerden – egal, wie alt du bist. Das wiederum hat ganz viel mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Was da erwachsen werden soll, ist dein Selbst. Aber: Was ist dieses Selbst und was bedeutet es?
Dieses Selbst definierst du jeden Tag neu. Du hast einen bestimmten Blick auf dich und legst eine Definition fest. Irgendwann fügt sich das zu einem festen Bild. Viele Menschen glauben irrtümlicherweise, dass dieses Definieren, dieses Festlegen ihnen Halt gibt. Aber so ein festes Bild schränkt ein.
Wenn du mir zum Beispiel voller Inbrunst sagen würdest: „Ich bin Perfektionist“, dann wäre meine Reaktion: „Schade!“ Weil ich eine solche Definition als total unflexibel empfinde. Denn sie ist nur ein Konstrukt.
Philosophisch betrachtet sind wir alle ALLES – alle Anteile sind da, sie sind nur unterschiedlich ausgeprägt. Wir besitzen perfektionistische Anteile und chaotische Anteile. Darum sollten wir aufhören, uns einzuschränken. Und junge Mitarbeiter in Talentpools ganz besonders.

3 Schritte zur Selbstführung

Ich frage in meinem High-Potential-Projekt manchmal: „Mit welchem Bild von dir gehst du in diesen Job rein?“ Ich will die Projektteilnehmer – und dich – dazu animieren, euer „festes“ Selbstbild zu hinterfragen und zu lernen, es wie einen Regler zu bedienen.
Denn dein Selbst ist wie ein Mischpult, an dem du Unmengen von Reglern hast. Diese musst du erstmal kennen, bevor du sie gezielt einsetzt und dir die Selbstführung gelingt.
Dein Selbstführungs-Mischpult bedienst du in drei Schritten:
1. dich beobachten
2. dich (alleine) ausprobieren
3. dich (im Team) einbringen.

Der erste Schritt: Beobachten

Der erste Schritt zur Selbstführung ist, eine Beobachterposition dir selbst gegenüber einzunehmen. Schau dich an: Welche Anteile findest du in dir? Wie definierst du dich? Siehst du auch das Gegenteil? Oder was gibt’s da noch?
Sei neugierig! Auf dich selbst! Wie viel Perfektionist oder Chaot steckt in dir? Wie stark definierst du dich als „Junior Marketing Manager“ oder „Büroclown“? Wo stehen deine Regler auf den Skalen „Analytiker“ oder „Mister Besonnenheit“?
Und, welche Definitionen findest du bei dir? Wenn du entdeckt hast, wer zu deinem Selbst gehört, bist du bereit für den zweiten Schritt …

Der zweite Schritt: Ausprobieren

Der zweite Schritt heißt: Probier dich aus. Experimentiere mal ein bisschen. Wenn du arbeiten gehst, lass die Definitionen, nach denen du lebst, zu Hause. Nimm stattdessen die Wissbegierde und die Experimentierfreude zur Arbeit mit: Wie wirkt es sich aus, wenn du an deinem Selbstführungs-Mischpult den cholerischen Knopf höher stellst? Und wie, wenn du die Freundlichkeit auf das Maximum einpegelst?
Beim Ausprobieren geht es darum zu testen, welche „Regler“ in dir du wie bedienen kannst. Du kannst sie auf Stufe 1 oder 5 oder 100 setzen, um zu schauen, wie die Wirkung ist. Oder um zu schauen, ob du den einen oder anderen Regler überhaupt hast.
Zum Ausprobieren gehört dann auch das fröhliche Scheitern! Das ist eine Kunst, die du lernen kannst. Sei bereit, Dinge loszulassen und zu sagen: „Okay, das hat nicht funktioniert, ich probier’s anders.“
Experimentiere, taste dich an eine neue Sache heran – und wenn’s schiefgeht, hast du an Erfahrung gewonnen und kannst deinen Reglerbereich erweitern.
Wenn du dich dann besser kennst und um deine Regler weißt, bist du bereit für den letzten Schritt …

Der dritte Schritt: Einbringen

Der dritte und letzte Schritt ist dein Selbst im Team. Denn da geht es um deinen Beitrag. Im Team musst du dich selbst führen können, um effektiv mit den anderen Teammitgliedern zusammenarbeiten zu können.
Achte zum Beispiel darauf, wo du dich einbringen kannst. Wo du für andere Verantwortung mit übernehmen kannst. Ganz wichtig ist auch: Definiere für dich, was Teamarbeit dir bedeutet und schau, ob und wie du kritische Punkte ansprichst. Die hohe Kunst der Selbstführung ist nämlich der Umgang mit unsicheren Situationen.
Letztlich suchst du deine eigene Antwort auf die Frage: Was gibt mir in unsicheren Situationen Sicherheit? Denn die brauchst du zur Selbstführung – und als Persönlichkeit.
Selbstführung ist letztlich eine große Chance für dich, persönlich zu wachsen.


Über die Autorin:
„Herzlich willkommen, liebes Problem!“ – Mit dieser Überzeugung geht Antje Bach durchs Leben. Die Autorin und Coach legt den Finger gerne in die Wunde – hart, aber ebenso ehrlich und einfühlsam. Denn sie ist überzeugt: Jede private oder berufliche Entwicklung beginnt mit einem Hindernis. Umso schöner, dass Menschen sich nicht verändern müssen. Sie dürfen sich ergänzen.
www.antjebach.de

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