| Elias Merle Nagel
Schluss mit dem ewigen Ja-Sagen!
Vier Ratschläge für alle, denen die eigene Hilfsbereitschaft ständig ein Bein stellt
Kennst du den Film „The Yes Man“? Eine mittelmäßige Komödie mit Jim Carrey, die vor einiger Zeit mal im Free-TV lief. Es geht um einen relativ durchschnittlichen Mann und sein relativ durchschnittliches Leben, in dem er kürzlich ein wenig mehr Pech hatte als normalerweise. Durch einige merkwürdige Verstrickungen, die unteranderem mit einer Art Sekte zu tun haben, kommt der Protagonist zu einer neuen Lebenseinstellung – Er sagt Ja zum Leben, er sagt Ja zu allem.
Im Berufsleben, insbesondere, wenn man noch am Anfang steht, fühlt man sich manchmal wie Jim Carrey. „Besorgst du das Geschenk für den Chef?“, „Ja!“, „Kannst du heute für mich länger bleiben? Ich fühle mich nicht so.“, „Kein Problem!“, „Hast du Lust in unser Lauf-Team einzutreten? In zwei Monaten ist dieser Staffellauf und wir brauchen dringend noch ein Team-Mitglied, sonst können wir nicht an den Start gehen.“, „Auf jeden Fall, das wird bestimmt total lustig!“ Doch natürlich wird es nicht lustig. Weil du den Chef noch gar nicht kennst, für heute Abend Theaterkarten hattest und schon in der Schule der mit Abstand schlechteste Läufer der Klasse warst. Wieso nur – Wieso hast du zugesagt? Die Antwort liegt natürlich auf der Hand: Du bist neu und du willst gemocht werden. Du willst kompetent wirken, hilfsbereit und freundlich und vor allem natürlich keine Spaßbremse sein – Klar. Genau wie beim Yes Man ergeben sich aus diesen voreiligen Zusagen aber allzu oft zusätzliche Komplikationen für ein sowieso schon kompliziertes Leben.
Natürlich werden wir uns von Zeit zu Zeit bei der Arbeit Dingen und Projekten widmen müssen, auf die wir keine besonders große Lust haben, aber darum soll es hier gar nicht gehen. Es gibt allerdings diese Menschen, diese beruflichen Ja-Sager, die sich wieder und wieder Sachen verschreiben, um andere nicht im Stich zu lassen. Kurzfristig mögen bei diesen kleineren und größeren Gefallen, die man seinen Kollegen ja auch sehr gerne tut, die Vorteile überwiegen. Man wirkt kompetent, hilfsbereit und keinesfalls wie eine Spaßbremse. Doch auf die lange Sicht verliert man die eigenen Bedürfnisse aus den Augen, fühlt sich unausgeglichen und verantwortlich für viel mehr als nur die eigene Arbeit – und so sollte es auf Dauer nicht sein! Was also kannst du tun in den Momenten, in denen du normalerweise ohne großartig zu überlegen, ein euphorische ja ausstoßen würdest, obwohl dir mehr nach einem nein, oder vielleicht, oder das kann ich jetzt noch nicht entscheiden ist.
Traue anderen mehr zu.
Ich selbst habe mich insbesondere im Studium häufig in der Verantwortung gesehen, Projekte zu übernehmen. Warum weiß ich eigentlich auch nicht so genau – vielleicht, weil ich dachte ich könnte es besser oder, dass es ohne mich gar nicht erst angepackt werden würde. Aber höchstwahrscheinlich hätte es auch ohne mich funktioniert. Ich war nur immer die einzige, die sich sofort auf den Berg voller Arbeit gestützt hat, lange bevor andere ihn auch nur bemerken konnten. Und man macht den Anschein alles zu schaffen, ja, sogar Freude bei der Erledigungen der Aufgaben zu haben. Man zeigt der Welt das strahlende falsche Lächeln, das den inneren Frust verbirgt und keiner blickt dahinter. Wie sollen die anderen sehen, dass man Hilfe braucht, dass man sehr gerne die eine oder andere Aufgabe abgeben würde? Vielleicht hätte ein anderer die Aufgaben viel besser erledigt und viel lieber, als ich es getan habe. Ich habe nur nie jemandem die Chance gegeben.
Wenn dir keiner einen Gefallen tut – dann tu es selbst!
Ja-Sager neigen häufig zu einem hohen Maß an Empathie. Sie spüren, wenn es Menschen in ihrem Umfeld nicht gut geht und tun was sie können um das Wohlbefinden dieser Leute zu steigern. Kollegen mit dieser Einstellung sind häufig die mit den langen Abenden im Büro, mit den unbeliebten Urlaubszeiten und den unliebsamen Aufgaben. Hast du das Gefühl selbst dieser bemitleidenswerte Kollege zu sein, hilft es sich hin und wieder die Frage zu stellen, ob die anderen das gleiche auch für einen selbst tun würden. Würde einer meiner Kollegen für mich einspringen, wenn es mir nicht gut ginge? Würde jemand anbieten meine Aufgaben zu übernehmen, wenn er merkt, dass ich sie nicht schaffen kann? Wenn nicht, dann solltest du aufhören permanent die Verantwortung für diese Leute zu übernehmen, denn dann wirst du ausgenutzt.
Es gibt nicht nur eine Antwort
Klar. Nein sagen kann man auch nicht immer. Ganz davon abgesehen, dass Nein-Sager furchtbare Menschen sind und keiner mit ihnen Zeit verbringen möchte, müssen wir alle Dinge machen auf die wir keine Lust haben. Man muss allerdings die Grenze ziehen, zwischen der eigenen und der eigens auferlegten Arbeit und versuchen alles, was über ersteres hinausgeht, zu reduzieren. Das erfordert ein gewisses Maß an Übung. Dabei muss man auch nicht mit dem großen, bösen nein anfangen. Experimentiere stattdessen mal mit einem vielleicht oder einem frag mich später nochmal. Statt grenzenlosem Zuspruch im Meeting, obwohl dich die Ideen nicht überzeugen, könntest du auch einmal versuchen, mit einem diplomatischen Gegenvorschlag kontern – „Das ist eine gute Idee, aber ginge es nicht vielleicht auch so?“.
Ja, ich weiß, aller Anfang ist schwer, aber du wirst merken, dass es dir von Mal zu Mal leichter fallen wird.
Nimm Konflikte in Kauf.
In den allermeisten Fällen folgt auf ein nein nicht der erwartete Paukenschlag. Auf ein nein auf die Frage, ob man es heute noch schafft die Blumen für den Geburtstag der Kollegin abzuholen, folgt in der Regel beispielsweise ein einfaches „Okay, dann frage ich wen anders.“. Mit etwas Glück gibt’s noch ein Lächeln gratis dazu. Gar nicht so schlimm wie gedacht also.
Und wenn es dann doch einmal anders kommt, war es tausendmal wichtiger für dich selbst einzustehen, als einem kleinen Konflikt aus dem Weg zu gehen. Anstatt ihnen auszuweichen, kannst du versuchen dich auf sie vorzubereiten. Versuche das Problem aus der Sicht deines Kollegen zu bedenken, doch mache dir vor allem bewusst, warum es ein Problem für dich darstellt. Steht dir ein kompliziertes Gespräch ernstlich bevor, kann es auch helfen, sich darüber mit einem jemandem auszutauschen oder die bevorstehende Situation durchzuspielen.
Bitte andere um Hilfe. Verteile Aufgaben um. Schaffe die Arbeit und die Überlastung, die deine eigenen Schultern nicht mehr tragen können und die niemals deine waren, von dir weg. Nur so wird das Verhältnis von einseitig zu wechselseitig, kannst du dem ewigen Ja-Sagen entkommen.
Nur wer aufhört sich für andere aufzugeben und hin und wieder auch mal Hilfe anzunehmen, wird erfahren, dass es nicht notwendig ist, der Fußabtreter des Büros zu sein um ein positives Feedback von den Kollegen zu erhalten. Denn letztendlich ist unser Berufsalltag kein Hollywood-Film und das permanente Ja-Sagen stürzt uns nicht nur in spannende Abenteuer, führt uns zu beruflichem Erfolg und lässt uns unsere große Liebe kennenlernen. Es ist in der Regel einfach nur eines: anstrengend.
PS: Achtung, Spoiler! Auch Jim Carrey ist am Ende des Films glücklich, endlich wieder nein sagen zu können.
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