| Marie Saifert
Was Recruiter wirklich denken …
… wenn sie im Vorstellungsgesprächen Standardphrasen vorgesetzt bekommen
Es mag um einiges schlecht bestellt sein in der Welt, gut gemeinte Ratschläge gehören jedenfalls nicht dazu, sie gibt es im Überfluss. In einem Raum mit fünf Leuten kannst du fast sicher sein, sechs gut gemeinte Ratschläge zu bekommen, mindestens. Und du musst nicht einmal nach ihnen gefragt haben, du bekommst sie auch so, ungefragt und gänzlich kostenlos. Was sich im ersten Moment vielleicht ganz gut anhören mag, ist bei genauer Betrachtung häufig leider eher nervig. Denn nicht immer möchtest du so einen Ratschlag auch hören bzw. brauchst ihn gar nicht. Und nicht selten sind diese gut gemeinten Ratschläge eben auch nur eins: gut gemeint.
Auch die Jobsuche ist ein beliebtes Thema, bei dem die meisten ungerne mit gut gemeinten Ratschlägen geizen. Ob die Suche nach einem Job etwas länger dauert, der liebe Sprössling nur noch drei Semester bis zum Ende des Studiums hat oder du einfach nebenbei einmal erwähnt hast, dich gerade nach einem Arbeitsplatz umzuschauen: Einen guten Ratschlag hat jeder übrig und du kannst sicherlich einen gebrauchen. Aber auch hier gilt: Gut gemeint bedeutet nicht gleich gut. Besonders bei Bewerbungstipps wird viel, viel erzählt, was nicht immer stimmen muss oder einmal stimmte: aber vor über 30 Jahren.
Manche Tipps bewirken genau das Gegenteil von dem, was sie sollen, sie schaden dir nämlich bei deiner Suche, insbesondere wenn dir zu Phrasen geraten wird, die vermeintlich dein Profil herausschärfen sollen, dir aber nur ein Bein stellen.
Wir nennen dir drei dieser Antwortphrasen und wie sie bei den Recruitern ankommen:
1. Meine größte Schwäche ist es, dass ich zu hart arbeite
Die Frage nach den eigenen Schwächen ist gar nicht so leicht zu beantworten und ein Minenfeld, bei dem jeder Schritt auf dem Weg zur Festanstellung potenziell der letzte sein kann. "Ich bin manchmal etwas faul" ist als Antwort ganz offensichtlich ein Bumerang. Was läge da also näher, etwas als Schwäche zu nennen, was deinem möglichen Arbeitgeber doch eigentlich zum Vorteil gereicht: Du bist quasi mit deiner Arbeit verheiratet und das Unternehmen kann von mindestens 120 Prozent Einsatz und Leistung erwarten – an durchschnittlichen Tagen natürlich. Außerdem, wenn du schon auf so eine Schwäche verweisen musst, zeigt das doch perfekt, dass du gar keine Schwäche besitzt.Nur: Jeder Mensch hat Schwächen und Fehler, auch du. Und natürlich wissen das auch deine Recruiter. Deine Antwort zeigt ihnen zum einen, dass du dich im Job nicht verbessern wirst – du hast ja keine Schwächen, an denen es zu arbeiten gäbe. Aber besonders bei jungen Menschen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, wird davon ausgegangen, dass sie bei weitem noch nicht alles können und viel Lernpotenzial besitzen. Mit deiner Antwort suggerierst du, dass dein Potenzial ziemlich brach liegt.
Außerdem zeugt deine Antwort nicht von einem souveränen und reflektierten Umgang mit deinen Schwächen – die Frage zielt auch darauf ab, deinem Gegenüber zu zeigen, dass du eigene Schwächen erkennen und beseitigen kannst.
2. Ich kann mich an keinen zurückliegenden Konflikt erinnern, da ich mit jedem zusammenarbeiten kann
Auch das klingt viel zu schön um wahr zu sein. Und hier liegt das Problem. Es ist offensichtlich das, was sich ein Arbeitgeber wünscht: Eine Mitarbeiterin, die mit allen anderen Mitarbeitern großartig auskommt und problemlos zusammenarbeitet. Also sagst du genau das. Und genau so kommt es bei den Personalern an: "Ich erzähle ihnen, was sie hören möchten." Das Problem ist nicht unbedingt, dass du nicht mindestens fünf Situationen nennst, in denen so richtig die Fetzen zwischen dir und deinen Kollegen flogen, sondern du es bei der Aussage belässt.Es geht nicht darum, das Unternehmen mit deiner Perfektion zu begeistern. Statt also zu behaupten, der ultimative Teamplayer zu sein, zeig es. Warum hast du nahezu keine Konflikte auf der Arbeit? Das kann auch bedeuten, dass du die Diskussion und die Auseinandersetzung scheust. Zeig also anhand eines Beispiels, wie du Konflikte angehst bzw. sie schon vor ihrem Entstehen auflöst.
3. Ich kann mir nicht vorstellen, bei einem anderen Unternehmen zu arbeiten
Du willst unbedingt diesen Job und bist heiß, voller Enthusiasmus. Wen könnten die Recruiter lieber einstellen als dich? Denn schließlich musst du das Unternehmen auch davon überzeugen, warum es gerade dich wählen sollte und nicht jemand anderes. Und in der Tat suchen die allermeisten Personaler auch jemanden, der nicht nur bei ihnen anfangen will, weil gerade nichts anderes zur Hand ist und eigentlich lieber doch etwas anderes machen würde. Du solltest also nicht zu wenig auftragen und deinen Gegenübern das Gefühl geben, du seist eher desinteressiert. So schön Schmeicheleien jedoch sein mögen, sie helfen dir ebenfalls nicht weiter, wenn sie inhaltslos sind. Und so sagt dein wohlklingender Satz besonders eins: "Ich habe meine Hausaufgaben nicht gemacht."Schmeicheleien allein reichen nicht. Du musst ins Detail gehen, deinen Gegenüber zeigen, dass du dich informiert, dich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hast und du genau weißt, warum du bei dem Unternehmen anfangen möchtest. Du weißt, wofür es steht, welche Projekte es hat und kennst dessen Geschichte. Es geht, wie auch bei den anderen beiden Punkten, nicht darum, die Fragen schnell hinter dich zu bringen, sondern sie als Chance für dich zu nutzen: Du kannst hier noch mal deine Fähigkeiten und dein Profil herausstellen und das allein dadurch, wie du mit den gestellten Fragen umgehst.
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